Stadtmuseum Bad Gandersheim

Im Museum Bad Gandersheim wurden einige Bücher mit fragwürdiger Herkunft dokumentiert. Fragwürdig, weil die Umstände des Erwerbs in der Sammlung nicht dokumentiert wurden und sie ausweislich Besitzstempel, Namenseintrag oder Buchthematik aus dem Besitz von Personen bzw. Gruppen stammen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden.

Zwei Bände stammen aus der Bibliothek des Braunschweiger Rechtsanwalts Bruno Mielziner (1882-1937), der sich unter Druck der NS-Judenverfolgung 1937 das Leben nahm. Teile der Wohnungseinrichtung wurden nach seinem Tod von den Nachmietern in der Kaiser-Wilhelmstraße 35a übernommen.

Ein jüdisches Gebetbuch (Seder tefilat Israel/סדר תפלת ישראל, Prag 1844) stammt aus dem Besitz von David Philippsohn. Er wurde 1857 in Kemnade geboren, seine Eltern waren die Landwirte Salomon und Therese Philippsohn, die später nach Gandersheim in die Steinstraße 1 zogen. 1907 verkaufte David Philippsohn dieses Haus, 1936 verzog er nach Frankfurt am Main. Von dort wurde er 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er ermordet worden ist.

Des Weiteren ist ein Buch der Ernsten Bibelforscher (Zeugen Jehovas) in der Sammlung vorhanden sowie zwei Bände antiker Rechtstexte aus einer Privatbibliothek in Antwerpen, die ab den frühen 1950er-Jahren zum Bestand des Finanzamts Bad Gandersheim gehörten und irgendwann danach ins Museum gekommen sind. Stammen sie von verfolgten Zeugen Jehovas? Wurden die Rechtstexte während der deutschen Besetzung Belgiens unrechtmäßig erworben? Nach dem jetzigen Forschungsstand lässt sich das nicht sicher ausschließen.

Und woher stammt der chinesische Theaterkragen (yun jian, chinesisch: 云肩, "Wolkenschultern") in der Sammlung? Sein Erwerb ist nicht dokumentiert. Kann er über die deutsche Kolonie Tsingtau in China gekommen sein? Und war dabei Unrecht im Spiel?

Zwei Fotos in der Sammlung wurden nicht unrechtmäßig erworben, sie stellen aber seltene Dokumente des reichsweiten Boykotts jüdischer Geschäfte zu Beginn des Nationalsozialismus am Beispiel Gandersheim dar.

Mehr zu den Forschungsergebnissen im Abschlussbericht.

Auswahl untersuchter Museumsobjekte