Heimatmuseum Northeim
Im Heimatmuseum Northeim ergab der Erstcheck 16 verdächtige Objekte, die während der Tiefenforschung 2021 systematisch untersucht wurden. Im Lauf der intensiven Forschung in der Sammlung wurden überdies weitere fragwürdige Objekte völkerkundlicher Art (Porzellan, Skulpturen und Gebrauchsgegenstände aus Ostasien und Afrika) entdeckt. Was wurde während der Tiefenforschung untersucht?
Jüdische Zeremonialobjekte
Anfang der 1990er-Jahre kaufte das Museum eine Reihe jüdischer Zeremonialobjekte (Judaika) an: zwei Torahzeiger, eine Riechbüchse, eine Segenskapsel (Mesusa in hebräisch), zwei rituelle Weinbecher und einen Leuchter für das jüdische Lichterfest (Chanukka). Alle Objekte wurden in den 1990er-Jahren von einem israelischen Studenten in Göttingen angekauft. Bis auf einen Torahzeiger sind alle Objekte entweder Fälschungen oder bedeutend jünger als beim Ankauf angenommen, sodass ein Verdacht auf unrechtmäßigen Entzug während der NS-Zeit entfällt.
Fahne und Anstecker der Arbeiterbewegung
In der Sammlung sind die Fahne des Volkschors Northeim und zwei Anstecker des Reichsbanners aus den 1920er-Jahren vorhanden. Der 1905 gegründete Volkschor setzte sich aus Arbeitern zusammen, versuchte die NS-Machtergreifung durch Austritt aus dem sozialdemokratisch orientierten Dachverband DAS zu überleben, musste sich dann aber im April 1933 auflösen. Wie die Fahne daraufhin in die Sammlung gelangte, konnte nicht rekonstruiert werden. Die beiden Anstecker des Reichsbanners, des größten republikanischen Verbands der Weimarer Republik, wurden in den 1990er-Jahren von einem Northeimer dem Museum geschenkt; auch ihre frühere Herkunft bleibt im Dunkeln. Das Reichsbanner wurde 1933 verboten und sein Vermögen vom NS-Staat eingezogen.
Eine Torahrolle unter den Bodendielen
1984 wurden in Northeim im Haus Rathausgasse 3 bei Bauarbeiten von einem Privatmann drei Fragmente einer Torahrolle als Dämmmaterial unter den Bodendielen gefunden. Der Finder übergab die großen, teilweise beschädigten Pergamentbögen anschließend dem Stadtarchiv. Dort wurden sie nach Jahrzehnten der Zweckentfremdung restauriert und in den Archivbestand aufgenommen. Aufgrund der konservativen Tradition des Torahschreibens durch hochspezialisierte Schreiber (Sofer in hebräisch) ist eine Herkunftsbestimmung der Fragemnte über eine Schrift- und Materialanalyse kaum möglich. Wie die Torahfragmente unter die Bodendielen gelangten, konnte nicht geklärt werden. Da die Dielen neueren Datums waren, liegt ein Zusammenhang mit der NS-Judenverfolgung nahe. Sicher ist, dass keine jüdische Gemeinde freiwillig den heiligsten Gegenstand des Judentums, zumal als Baumaterial, hergegeben hätte, sodass ein Diebstahl der Torahrolle bzw. der Fragmente nahezu sicher ist.
Völkerkundliche Gegenstände (Ethnografika)
In der Sammlung wurden auch einige Ethnografika entdeckt. Es handelt sich um einen chinesischen Klappspiegel, chinesische und japanische Porzellane (Pinselschalen, Vasen, Plastiken) sowie Steinzeug (Ingwertöpfe), eine chinesische Stickarbeit, eine japanische Specksteinfigur, zwei chinesische Pinseltöpfe aus Bambus und eine Holzfigur außereuropäischer Herkunft, möglicherweise aus dem Kongo, die schon in frühen Inventaren von 1910, allerdings ohne Herkunft, verzeichnet ist. Diese Objekte wurden dokumentiert, konnten aber aufgrund der Förderrichtlinie des Projekts mit Fokus auf die NS-Zeit noch nicht tiefgehender erforscht werden. Eventuell haben frühere Northeimer Kolonialbeamte die Objekte als Souvenirs in der deutschen Kolonie Kiautschou in China erstanden; hier steht eine Klärung aber noch aus.
Mehr zu den Forschungsergebnissen im Abschlussbericht.